Mehr Meer

Die riesigen Containerschiffe liegen vor dem Hafen von Piräus und warten darauf, einfahren zu dürfen und entladen zu werden. Sie sehen zum Greifen nah aus. Dabei sind sie von hier aus noch eineinhalb Stunden Autofahrt entfernt: Wir stehen auf einem von Strandhafer überwucherten Streifen Land zwischen Straße und Meer und schauen über die Wellen hinweg Richtung Athen. Diesen Spot hatten wir bei Park4Night als Stellplatz für die letzte Nacht auf dem Peloponnes ausgewählt, bevor wir morgen in Piräus auf die Fähre nach Kreta gehen. Aber der Platz erweist sich als wenig attraktiv  – nicht mal, um einfach nur schnell ins Bett zu fallen und am frühen Morgen direkt weiter zu fahren. Viel zu viel Verkehr auf der Straße nebenan. Es ist fast acht Uhr abends, wir haben heute den gesamten Peloponnes einmal diagonal überquert von Finikounda an der Südwestküste des ersten Fingers bis hierher an die Nordostküste, etwas südlich von Korinth.
Eine Woche lang haben wir uns davor immer am Meer entlang bewegt, Nicos Heuschnupfen hat sich beleidigt verabschiedet, der Plan mit der Allergen-Vermeidung geht auf. Das Highlight dieser Woche: die Polilimno Wasserfälle etwa eine Stunde westlich von Kalamata. An einem heißen Dienstagmorgen klettern wir die abenteuerliche Strecke hinab zu den azurblauen Steintümpeln und weiß schäumenden Wasserschnellen, die der Fluss hier unter dem fast tropischen Blätterdach bildet. In Deutschland hätte hier mindestens eine Hinweistafel mit der Beschriftung „Betreten auf eigene Gefahr“ gestanden. In Griechenland gibt es nicht einmal einen Wegweiser hinab zu den Fällen. Wir haben das Glück, ein deutsches Paar zu treffen, das in einem Landrover unterwegs ist und die Fälle bereits am Vortag lange gesucht und schließlich gefunden hat. Sie zeigen uns den Eingang durch niedriges Gestrüpp auf einem schmalen Trampelpfad. Diverse Trittstufen aus Eisen im Fels sowie ein paar wenig vertrauenerweckend aussehende Seile machen klar: Das hier ist nichts für Spaziergänger. Nach zehn Minuten haben wir nasse Füße, aber der Weg ist einfach viel zu schön und spektakulär, um ihn nicht zu Ende zu gehen. Unten angekommen fühlen wir uns wie im Paradies. Eine tiefblaue Lagune, in die sich ein etwa zehn Meter hoher (?? ich bin nicht gut im Schätzen) Wasserfall stürzt. Und wir haben das alles mal wieder ganz für uns alleine. In weiser Voraussicht habe ich einen Bikini unter die Shorts und das T-Shirt gezogen, schnell schlüpfe ich aus den klatschnassen Schuhen und den Klamotten, stehe einen Moment bis zu den Waden im ziemlich kalten Wasser und wage dann den Sprung. Und gefriere beinahe sofort zu Eis: Das Wasser hat vielleicht fünf oder sechs Grad, es kommt direkt aus den Bergen! Nach 90 Sekunden bin ich wieder draußen und lasse mich von der Sonne auftauen. Nico lässt sich von meinen spitzen Schreien beim Auftauchen nicht abhalten und springt direkt nach mir rein, sein Blick, als er aus den eiskalten Fluten wieder auftaucht, ist unbezahlbar.

Den Rest der Woche verbringen wir an mehreren traumschönen Stellplätzen im Süden des ersten Fingers des Peloponnes – und es vergeht fast kein Tag, an dem wir nicht in einer Taverne essen. Unser Budget wirft uns zwar vorwurfsvolle Blicke zu, aber wir haben uns so lange nach griechischem Salat und gegrilltem Gemüse, frischem Brot und Oliven, Feta und einem Glas Wein oder Bier an Holztischen unter Sonnensegeln verzehrt, dass wir das einfach ignorieren.

Auch jetzt sitzen wir auf orangefarben und gelb gestrichenen Stühlen an einem kleinen Tisch mit Blick auf die Bucht zwischen hier und Piräus: Der Wirt der Taverne hat uns erlaubt, über Nacht auf seinem von blühenden Hecken gesäumten Parkplatz stehen zu bleiben, da der Campingplatz, der eigentlich unser Backup sein sollte, falls der Park4Night-Spot nichts taugt, erst morgen öffnet. Morgen. Morgen ist der große Tag. Da öffnet Griechenland für den Tourismus! Bereits seit heute sind die Permits, die wir uns jetzt seit mehr als sechs Monaten für jeden Gang vor die Tür ausstellen mussten, Geschichte! Wir sind durch drei Regionen gefahren, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen: Denn auch das Reiseverbot ist seit heute aufgehoben. Was für ein Gefühl der Freiheit!! Morgen geht es dann endlich nach Kreta – im dritten Anlauf klappt es hoffentlich. Denn komplett von allen Auflagen befreit sind wir dennoch nicht: Vorgestern haben wir in der Zeitung gelesen, dass wir für die Überfahrt einen negativen Corona-Test benötigen. PCR-Test, Schnelltest oder Selbsttest, alles wird akzeptiert. Selbsttests bekommt man hier überall in der Apotheke, und das wäre natürlich logistisch die einfachste Lösung. Da wir aber keine griechischen Staatsbürger sind, können wir das Ergebnis nicht, wie gefordert, auf der offiziellen Webseite hinterlegen, wie es die Griechen machen, wann immer sie sich zuhause oder im Job selber testen. Damit wir das Ergebnis dokumentieren können, müssen wir uns also an einer öffentlichen Stelle testen lassen, was hier leider nicht so einfach ist wie in Deutschland. Lange haben wir heute recherchiert, um herauszufinden, wo wir einen solchen Schnelltest machen lassen können. Und sind schlussendlich in einem Vorort von Athen fündig geworden – haltet uns die Daumen, dass das morgen alles klappt und der nächste Blogeintrag, den ihr hier lest, von Kreta kommt!

5 Kommentare

  1. Großartige Fotos liebe Brit, wir sind so happy zu sehen, dass Ihr gesund und munter seid und wunderbare Abenteuer genießen könnt
    Wir wünschen Euch viel Glück und Erfolg weiterhin. Kommt gut nach Kreta LG Monika und Werner vom Niederrhein

  2. Was für tolle Fotos , da bekommt man arges Fernweh. Und dann noch von einem heißen Dienstagmorgen lesen zu müssen , beneidenswert . Wir bibbern hier immer noch , nix ist mit Wonnemonat Mai ! Viel Erfolg beim testen und eine gute Überfahrt nach Kreta , bleibt gesund .
    Liebe Grüße aus einem ungemütlichen Duisburg

  3. Boah… echt schwer jezt hier im Regen zu sitzen. Ich merke wie das Fernweh in mir zerrt. Ich bin schon am Innenausbau und ich hoffe dass ich in 3-4 Wochen fertig bin. Alles Gute Euch weiterhin und LG vom Bob

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