Brace yourself…

Der Schneeregen fällt schwer und matschig auf die geöffnete Heckklappe und rinnt so langsam über die Ränder hinunter auf den Sand, dass die Tropfen und Kristalle in der 2 Grad kalten Morgenluft anfrieren und aussehen wie Eiszapfen. Über dem Meer wehen zarte Dunstschleier, da das Wasser wärmer ist als die Luft, die Hügel, die die Bucht umrahmen, sind weiß bestäubt. Unser erster Schnee auf dieser Reise im Bus! Tief in unsere Daunenschlafsäcke gekuschelt blinzeln wir nach draußen. Wirklich hübsch. Aber viel zu kalt, um da jetzt rauszugehen. Eine halbe Stunde oder länger liegen wir da und versuchen, die drückende Blase und den Kaffeedurst zu ignorieren. Aber am Ende hilft es nix: Wir müssen da raus.

Die Temperaturen waren schon in den letzten Tagen oft nur niedrig einstellig. Und da Drinnenhocken in unserem kleinen Bus keine längerfristige Option ist (in der Gegend rumfahren oder den Tag in einem Café vertrödeln wegen des Lock-Downs aber leider auch nicht), haben wir kleine Strategien entwickelt, um uns warm zu halten. Warm anziehen natürlich, um gar nicht erst kalt zu werden. Zwiebelprinzip for the win! Die große Thermoskanne mit heißem Ingwer-Tee in Griffweite. Und – das wichtigste – in Bewegung bleiben! Nico hat an einem der ersten kalten Tage hier drei Stunden lang Holz klein gehackt und fein säuberlich unter unserem Bus gestapelt, damit es trocken bleibt – und damit gleich in doppelter Hinsicht für Wärme gesorgt: Er ist ordentlich ins Schwitzen gekommen beim Hacken und Sägen, und wir können abends Lagerfeuer machen und uns an den Flammen wärmen. Ich renne jedes Mal, wenn mir die Kälte zu sehr in die Knochen kriecht, ans andere Ende unseres Strands und zurück oder den steilen Schotterweg hinauf, der die Zufahrt zu unserer Bucht bildet. Auch Tanzen hilft: Musikbox raus, Rockradio an und so lange hüpfen und singen, bis die Zehen aufgetaut sind. Und wenn das alles nicht mehr reicht, schmeißen wir die Standheizung im Bus an und verkrümeln uns nach drinnen.

Gestern haben wir den einzigen sonnigen (wenn auch kalten) Tag zum Duschen und Haarewaschen genutzt: Alter Vatter, das hat ordentlich Überwindung gekostet! War aber dringend nötig nach fünf Tagen Katzenwäsche und am Ende auch gar nicht so schlimm, immerhin war das Wasser heiß – und wir haben uns danach mit einem erneuten Spaziergang nach Tyros, einem großen Cappuccino mit Karamel-Sirup und Zimt und einem tollen Farbenspiel von Meer und Himmel auf dem Heimweg belohnt!

Heute haben wir zum ersten Mal das Gefühl, dass Draußensein gar nicht erstrebenswert ist. Dabei schneeregnet es schon ab 11 Uhr nicht mehr, obwohl es laut Wettervorhersage eigentlich erst ab 17 Uhr aufhören sollte. Also eigentlich Glück für uns – und trotzdem ist uns heute irgendwie nach drinnen Verkriechen. Selbst wenn das bedeutet, dass wir den Platz so lange mit den nassen Regenklamotten vom Kaffeekochen und Pinkelngehen teilen müssen, bis die wieder trocken sind. Mit den Socken im Sand stehen, der von unseren dicken Stiefeln in den Fußraum vor den Sitzbänken geriesel ist. Uns wie die Limbotänzer umeinander herumschlängeln müssen, um an den Inhalt einer Bank oder des Kühlschranks zu kommen. Und die Fenster einen Spalt geöffnet lassen müssen, während gleichzeitg die Heizung bullert, da die zwar echt schnell heiße Luft produziert, diese aber auch so sehr austrocknet, dass die Haut unserer Lippen schon nach einer Stunde spannt. Morgen soll es wieder wärmer werden und der Wetterbericht verspricht Sonne. Gottseidank. Keine Ahnung, ob wir noch zu echten Wintercampern werden (müssen – der Plan war ja eigentlich, der Sonne hinterher zu reisen), und auch wenn wir für die ersten kalten Tage ganz zufrieden sind mit uns: Für viele kalte und nasse Tage am Stück taugen unsere Strategien vermutlich nur bedingt. Reisefreiheit und geöffnete Cafés würden unsere Möglichkeiten definitiv erweitern, nach wie vor ist allerdings nicht abzusehen, wie lange der Lock-Down noch in Kraft bleibt. Immerhin – auch wenn das für uns persönlich keinen Unterschied macht  – ist seit heute der Einzelhandel in Griechenland wieder geöffnet und die Leute können – unter strengen Auflagen und nur mit Permit, versteht sich  – wieder shoppen gehen. Ein bisschen mehr Normalität kann auf keinen Fall schaden!

P.S.: Wir haben übrigens einen kleinen Rekord aufgestellt: Elf Nächte wild Campen am Stück! So lange haben wir noch nie ohne Aufenthalt auf einem Campingplatz oder ein, zwei Nächte in einer Unterkunft frei gestanden. Denn auch, wenn das ganze Konzept unserer Reise eigentlich auf Wildcampen beruht, gab es bisher immer Gründe (oder wir haben welche gefunden), uns in die Infrastruktur eines Beherbergungsbetriebs (solche tollen Wörter lernt man im Lock-Down) zu flüchten. Derzeit zieht es uns kein bisschen dorthin, auch wenn die Herausforderungen des Wetters neu für uns sind. Noch was, auf das wir ein bisschen stolz sind – schließlich wird niemand als Hardcore-Nomade jenseits aller Bedürfnisse nach Komfort und Wärme geboren.

Ein Kommentar

  1. Guten Abend liebe Brit und Nico,
    wir wünschen Euch einen warmen Abend und gute Nacht.
    Unsere Bewunderung das ihr eure Situation so locker nehmt.
    Bleibt aber weiterhin gesund und passt gut auf Euch auf, damit ihr weiterhin Spaß an dem großen Abenteuer habt.
    Wir sind in Gedanken bei Euch ️

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