Post Scriptum Bulgarica

Und zack – Rumänien. Das ging jetzt irgendwie schnell. Und während wir hier seit gestern Abend unsere ersten 100 von insgesamt gut 400 Kilometern machen (jaja, ab jetzt wird wieder schön generalstabsmäßig durchgeplant, wie ich das von meinem Arbeitswelt-Ich gewohnt bin: Wir wollen am 23. Juli bei meinem Bruder in München sein, die 1.300 Kilometer ab der bulgarisch-rumänischen Grenze verlaufen für jeweils 400 Kilometer durch Rumänien und Ungarn und für 500 durch Österreich bis München – macht 100 Kilometer am Tag, also vier Tage für Rumänien. Ihr könnt folgen?), fällt mir auf, dass ich doch etwas… sagen wir grobmaschig mit meiner Berichterstattung aus Bulgarien war. Ich habe Euch sowohl unseren Ausflug nach Nesebar am Schwarzen Meer, als auch Bilder aus Plovdiv sowie unsere letzte Station, die Festung Belogradtschik ganz im äußersten Norwesten des Landes, vorenthalten. Was ich hiermit nachliefere, bevor ich mich für die nächsten drei Tage ganz auf Rumänien konzentriere.

Wir gestehen, dass die Schwarzmeerküste nicht so ganz unser Ding war. Auch wenn sie der größte Touristenmagnet Bulgariens ist, aus uns werden einfach keine anständigen Strandurlauber mehr, und Bettenburgen sind auch nicht so unsers. Vom Peloponnes sind wir schnuckelige kleine Buchten ohne viel Infrastruktur gewohnt, der Goldstrand und der Sonnenstrand, die Cash-Cows der bulgarischen Tourismusundustrie, sind da schon eine andere Liga. Aber selbstverständlich gibt es auch in dieser Ecke des Landes Sehenswertes, und es schließt sich überhaupt nicht aus, dass dieses Schöne auch touristisch erschlossen ist. Nesebar ist so ein Ort. Man erreicht die nahezu autofreie kleine Halbinsel zu Fuß über eine schmale Brücke, das Ensemble erinnert uns irgendwie an Monemvasia. Kaum über die Brücke, verlieren wir uns in einem bezaubernden Gewirr aus verwinkelten Gassen, die von historischen sogenannten Wiedergeburtshäusern mit hölzernen Obergeschossen gesäumt werden. Viele davon hübsch hergerichtet, andere von Alter und Wetter gezeichnet. Überall kleine Geschäfte, Restaurants und Souvenirläden. Man merkt, dass dieser Ort es eigentlich gewohnt ist, täglich ganze Heerscharen von Urlaubern zu versorgen. Jetzt, im Juli, ist hier trotz Hochsaison wenig los. Angenehm für uns, schwierig für die Geschäftsleute, wie uns eine nette Dame in lupenreinem Deutsch (das wir in Bulgarien auch abseits touristischer Orte häufiger hören – warum bloß lernen Menschen Deutsch als Fremdsprache? Wo außer in Deutschland und Österreich kann man das denn bitte gebrauchen?) erklärt, bei der Nico ein paar Flipflops kauft. Wir lassen uns treiben, genießen die malerische Kulisse, das Gekreische der Möwen, den Duft an uns vorbeigehender Sommergäste nach Sonnencreme, und am Ende unseres kleinen Ausflugs einen knackigen Salat und ein Glas Weißwein in einem lauschigen Lokal direkt über dem Meer.

Plovdiv erreichen wir ein paar Tage später. Mit leider viel zu wenig Zeit, wie neulich schon erwähnt. Bulgariens möglicherweise schönste Stadt war 2019 Kulturhauptstadt Europas. Als wir in die labyrinthtischen Gassen des Viertels Kapana eintauchen, umfängt uns eine lebendige Mischung aus alter Architektur und modernen Gastronomie, historischen Gemäuern, hippen Läden und noch hipperen Leuten, die wir so bisher an keinem anderen Ort in Bulgarien empfunden haben (auch später in Sofia nicht, was aber vielleicht daran liegt, dass wir Bulgariens Hauptstadt auf nicht so ganz klassische Weise erleben). Griechen, Römer und Osmanen haben in Plovdiv ihre Spuren hinterlassen, überall in der Altstadt trifft man auf steinerne Überreste der verschiedenen Epochen. Wir stellen uns vor, wie es wäre, wenn kein Corona wäre und wir uns hier einfach einen Abend lang unbesorgt vom mediterranen Flair einfangen lassen könnten, durch die Bars tingeln, uns unter die Leute mischen und das Treiben genießen. Nächstes Mal. Bestimmt.

Belogradtschik habe ich in einer Reisedokumentation über Bulgarien entdeckt, und die Bilder dieser zwischen Felsen gebauten Festung haben mich so sehr an etwas Fantastisches aus dem „Herrn der Ringe“ erinnert, dass ich das unbedingt mit eigenen Augen sehen möchte. Eigentlich liegt die Festung weitab vom Schuss, und hätten wir an unserem ursprünglichen Plan festgehalten, über Serbien und Slowenien nach Deutschland zu reisen, wären wir hier wohl nicht mehr vorbei gekommen. Aber da Serbien dankenswerterweise die Einreise so unglaublich kompliziert gemacht hat, dass wir uns für eine andere Route entscheiden, bekommen wir diesen nahezu unwirklichen Ort doch noch zu sehen. Warum genau diese Festung gebaut wurde, können wir nur sehr lückenhaft recherchieren: offenbar war belogradchik nicht als Verteidigungsanlage gedacht, sondern als Rückzugsort. Also ein bisschen sowas wie Helms Klamm, wusste ich’s doch, dass dies ein Ort aus dem „Herrn der Ringe“ ist! Auch ohne die Festung selbst wäre dieser Ort spektakulär: die Felsenformationen erinnern mich an Bilder, die ich von den Canyonlands in den USA gesehen habe. Als wir in Belogradtschik ankommen, entlädt zeitgleich ein riesiger Reisebus mehrere Dutzend bunt gekleideter Besucher, die sofort über das gesamte Gelände ausschwärmen. Ich fluche, da mir die ganzen farbenfrohen Punkte ein eindrucksvolles Foto von der mächtigen Festung unmöglich machen. Und stelle fest, wie unfassbar verwöhnt wir in den letzten Monaten waren, in denen wir archäologische Stätten und besondere Orte mehr oder weniger für uns alleine hatten. Bei den üblichen 32 Grad schleppen wir uns viele Stufen bis an die Spitze der Festung und genießen die atemberaubenden Blicke in die umliegende Felsenlandschaft.

Als wir Bulgarien eine Stunde nach dem Besuch in Belogradtschik über die Donau verlassen, nehmen wir ein etwas gespaltenes Gefühl mit: Wir sind fasziniert von der Natur in diesem Land, all dem Grün, den Bergen, den leuchtenden Sonnenblumenfeldern, den wilden Wolken am Himmel und den riesigen alten Bäumen, die viele der Straßen säumen. Und gleichzeitig sind wir nicht richtig warm geworden mit dem Land, zu wenig Gelegenheit hatten wir, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und in die bulgarische Kultur einzutauchen. Wir sind in den drei Wochen eher Zaungäste geblieben, was der Kürze der Zeit und unserem andauernden Unterwegssein geschuldet sein mag. Vielleicht aber auch der Tatsache, dass die Bulgaren es uns nicht ganz so leicht gemacht haben, ihnen näher zu kommen, wie die Griechen.

2 Kommentare

  1. Danke liebe Brit für die wunderschönen Fotos aus Bulgarien. So schön Grün haben wir das Land auch gesehen.
    Der Bericht hat mir sehr gefallen und ich kann dich gut verstehen.
    Wir hatten das große Glück eine alte Frau mit ihrem Sohn kennen zu lernen und ein wenig von der Bulgarischen Kultur in Dabovik erfahren. Auch das die Menschen sehr verschlossen sind.
    Euch aber einen schönen Aufenthalt in Rumänien. LG Monika

    1. Das klingt schön, ich beneide euch ein wenig um diese Begegnung. Die kurzen Begegnungen, die wir mit den Menschen hier hatten, waren sehr angenehm, aber so ein richtiges Kennenlernen, das ist schon etwas anderes. Dafür muss man vielleicht ein wenig länger im Land bleiben.

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